Training on the Family – Schickt die Väter nach Hause

Vater und Tochter

Keine Stellenanzeige kommt mehr aus ohne „Teamfähigkeit", „Stressresistenz“ oder „Kreative Lösungsfindung“. Unternehmen wollen Mitarbeiter mit Softskills. Gibt es bei Mitarbeitern einen Nachholbedarf auf dem Gebiet, werden diese gerne mal auf teure Seminare geschickt – meist Outdoor.

Um ihre eigenen Grenzen kennenzulernen, werden gestandene und weniger gestandene Männern in schwindelerregende Höhen getrieben, wo sie sich dann tarzangleich von einem Baum zum anderen schwingen. Um mehr Teamfähigkeit zu erlangen, treffen sie sich im tiefsten Winter in schicken Hotels und bauen gemeinsam Iglus. Um die Kreativität zu fördern, bekommen Softskill-Legastheniker gerne mal Schnüre und Stämme in die Hände gedrückt und müssen daraus eine Brücke über einen Bach bauen. 

Als Event bleiben solche Erlebnisse nachhaltig in der Erinnerung der Teilnehmer. Doch wie sieht es mit dem eigentlichen Ziel des Seminars aus? Dem Erlangen von Softskills, die dann auch noch den Transfer in die Arbeitswelt schaffen? Für die Dauer des Seminars und auch einige Wochen danach, wird das Erlernte sicherlich noch präsent sein. Aber dann? Vorbei und vergessen! Besser als jedes teure Outdoorseminar: Schickt die Väter in Elternzeit. Das ist preiswerten und nachhaltiger.

Softskills erlernt man nicht einfach so mal an einem Wochenende. Stressresistenz, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und all die anderen „weichen Faktoren“ erlernt man am besten und nachhaltigsten in der Familie! Die „Trainer“ sind erbarmungslos. Kennen kein Pardon. Das Feedback – noch schonungsloser und spontaner als das eines jeden Trainers. Das entscheidendste aber: Das Training ist nach ein bis zwei Tagen nicht beendet. Es dauert Jahre! Die Trainer führen den „Seminarteilnehmern“ Tag ein Tag aus deren Defizite vor Augen, ohne Rücksicht auf Hierarchien. Die beste Garantie für Erfolg. Die gute Nachricht für alle Führungskräfte: Junge Väter wollen vermehrt in Elternzeit. Viele wollen das auch mehr als die noch üblichen zwei Partnermonate. Aber auch über die Elternzeit hinaus wollen Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie sind bereit für das Training. Viele haben nur Angst, dass ihre Karriere darunter leidet. In vielen Fällen leider noch immer keine unberechtigte Angst. 

Väter, die Elternzeit genommen haben, brauchen nicht mehr in die Baumkronen zu klettern, um ihre Grenzen kennen zu lernen. Wer sich die Nächte mit dem kranken Nachwuchs um die Ohren geschlagen hat, am nächsten Tag nicht ins Büro flüchten konnte, sondern auch tagsüber im Dauereinsatz war, Wadenwickel zubereitet, Tee gekocht und das Kind gefüttert hat, der hat genug Grenzerfahrungen gemacht. Nicht zu vergessen, der Besuch beim Arzt, bei dem man wieder stundenlang mit einem quengelnden Kind auf dem Arm warten durfte. Ein Extremtest für Resilienz. Und das bisschen Haushalt ist danach auch noch immer nicht erledigt.

Teamfähigkeit erlernen Väter zuhause spätestens dann, wenn die Brut in ein Alter kommt, in dem sie mitdiskutiert. Nichts mehr mit „Heute gehen wir spazieren und basta!“. Die schlechte Laune bei den Kids ist vorprogrammiert und dass sich die Laune auf den Rest der Familie überträgt, in den meisten Fällen auch. Schnell enden solche Ausflüge dann für diejenigen in einem Desaster, die es nicht gelernt haben, im Team einen Konsens zu ermitteln.

Kreativität gehört per se zum aktiven Elternsein. Zwar können sich viele Kinder eine Zeit lang selbst beschäftigen. Man kann sie auch schon mal vor dem Fernseher parken. Aber an einem verregneten Tag oder wenn die Kinder krank sind, ist das keine Dauerlösung. Also ist Kreativität gefragt. Da entsteht aus einer Decke über dem Esszimmertisch plötzlich eine Höhle, in die man sich zurückziehen muss, um nicht von den wilden Einheimischen aufgefressen zu werden. Der Kleiderschrank wird zum perfekten Versteck beim Indoor-Versteckspiel und die Küche zum Chemielabor.

Die Liste der Softskills, die Väter im Umgang mit ihren Kindern erlernen, ist lang und das Erlernte geht den Vätern in Fleisch und Blut. Anstatt in Seminare zu investieren, sollten Unternehmen den Mythos der Anwesenheit über Bord schmeißen, mehr Väter in Elternzeit schicken und den Kinder das „Training on the family“ überlassen. Positiver Nebeneffekt von Vätern in Elternzeit: Nehmen die Väter zum Ende der 14 Monate Elternzeit, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die mit ihnen lebende Mutter des Kindes sich auch wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt, um ein Vielfaches höher. Eine Win-Win-Win-Situation also.