Vati mach(t) das schon!

Vater bei der Hausaufgabenbetreuung

Zu Beginn der Corona Krise haben wir gejubelt. Endlich! Die Zeiten des Homeoffices sind gekommen. Endlich müssen alle, unabhängig davon ob Mann oder Frau, Mutter oder Vater im Homeoffice arbeiten. Endlich müssen auch die Firmen mitziehen, die sich bisher strikt geweigert haben. Jetzt müssen alle ihren Mitarbeitenden das remote Arbeiten ermöglichen.

Und jetzt das! 

In der vergangenen Wochen gab es gleich zweimal die Schlagzeile „Mutti macht das schon“ – in der Süddeutschen als Kommentar von Barbara Vorsamer und in der FAS von Julia Schaaf. Beide beklagen, dass der Staat die Eltern hängen lässt. Während er Unternehmen finanzielle Unterstützung bietet, werden die Mütter an den Herd zurückgedrängt. Aber ist daran wirklich allein der Staat schuld? Schaaf zitiert immerhin die Soziologin Barbara Vinken noch mit den Worten: „Ich bin selbst überrascht, wie klaglos und fit die Mütter das auf die Reihe kriegen.“

Warum sprechen die Medien ausschließlich von Mütter? Wo finden die Väter Gehör, die sich sehr wohl mit ihren Partnerinnen die Familienarbeit teilen? Wollen wir wirklich, dass Corona die Gräben zwischen Müttern und Vätern, Frauen und Männern wieder aufgräbt. Die Gräben, die wir seit einigen Jahren erfolgreich zuschütten. Sollten wir uns nicht vielmehr drei elementar wichtige Fragen stellen:

Auf welchen Fakten basieren die Aussagen, dass die Frauen wieder in die „feministische Steinzeit“ zurückkatapultiert werden?

Was ist dran an der Aussage von Barbara Vinken, dass Frauen nur zu gerne die Rolle der Alleinverantwortlichen in der Familie annehmen?

Warum gibt es aber offensichtlich noch immer Väter, die sich nicht oder nur wenig engagieren wollen?

Die Faktenlage

Fakt ist, dass wir noch nicht wirklich viel wissen. Dafür ist die Zeit bisher dann doch zu kurz. Wirklich aussagekräftige Studien konnten noch nicht durchgeführt werden. Julia Schaaf und andere beziehen sich auf die Studie „Familien am Limit“ der Konrad Adenauer Stiftung. Fakt ist: Das ist keine Studie. Es ist lediglich eine Bestandsaufnahme basierend auf einigen wenigen Blogs. Es wurde keine repräsentative Anzahl von Müttern und Vätern zu ihrer Belastung befragt. Es werden Blogs zitiert, in denen sich ausschließlich Mütter über die Arbeitslast und in einem Zitat auch über die ungerechte Aufteilung der Familienarbeit auslassen. Es ist kein einziger Blog von einem Vater dabei. Aber vielleicht liegt das zum einen daran, dass wesentlich weniger Väter als Mütter bloggen und dass Väter, wenn sie „bloggen“ weniger über sich und ihren Stress mit und Ärger über Corona berichten. Was aber selbstverständlich nicht den Rückschluss zulässt, dass sie nicht auch angenervt und gestresst sind. So hat eine Forsa Umfrage unter Eltern mit Kindern unter 18 Jahren im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) aktuell ergeben, dass sich während der Corona-Krise vor allem bei den Vätern die Stressfaktoren verschoben haben. War vor der Corona-Krise noch der Job mit 47 Prozent der Stressfaktor Nummer eins, sind es heute bei 42 Prozent der Befragten die Kinder. Den Job hingegen empfinden nur noch 36 Prozent der Väter als Stressfaktor. Die systemrelevanten Jobs sind fest in weiblicher Hand. Auch wenn die Kinderbetreuung für diese Berufsgruppe geregelt ist, reicht das, wie wir alle wissen und seit Jahren beklagen, nicht aus. Das lernen jetzt auch die Väter. 

Fakt ist auch, dass Frauen seit jeher die Hauptlast der Familienarbeit tragen. Das bedeutet aber nicht, dass das so bleiben muss. Sind sie in Teilzeit erwerbstätig hat das eine gewisse Logik. Aber das heißt auch noch lange nicht, dass die Frau sich abends weiter um alles kümmert, während der Mann die Beine hochlegt. Spätestens dann sind beide gefordert. Sind beide Vollzeit erwerbstätig, gibt es kleinerlei Logik für eine ungerechte Aufteilung der anfallenden Arbeiten außerhalb des Jobs.

Fakt ist aber auch, dass es durchaus Väter gibt, die ihren Teil der Arbeit übernehmen. In einer Blitzumfrage der Väter gGmbH zeigte sich, dass der Anteil der Paare, die sich die Aufgaben paritätisch teilen, während der Krise um acht Prozent gestiegen ist. Vor der Corona Krise hatten 40 Prozent der Paare angegeben, sich die Aufgaben gleichgestellt zu teilen, während der Krise ist der Prozentsatz auf 48 gestiegen. Die Umfrage fand unter lediglich 300 Vätern statt und ist damit nicht repräsentativ. Sie zeigt aber, dass es in dieser Gruppe einen Trend zu mehr Parität und nicht zu einem Rückfall in die 50er Jahre Rollenverteilung gibt.

Weg mit dem ständigen schlechten Gewissen!

Warum gehen wir wie selbstverständlich davon aus, dass Frauen die Hauptlast der Kinderbetreuung übernehmen müssen? Wo steht das geschrieben? Ist das ein Naturgesetz?

Als Mütter sollten wir endlich unsere Schuldgefühle gegenüber der Familie ablegen. Insbesondere berufstätige Mütter leiden darunter, nicht den gesellschaftlichen Normen einer „guten Mutter“ zu entsprechen. Diese gesellschaftlichen Normen, die tief in unserer Kultur verwurzelt sind, schüren Schuldgefühle. Sie führen dazu, dass Mütter meinen, alles machen zu müssen, was mit Kindern und Haushalt zu tun hat. Zeiten, wie während der Corona-Krise, in denen alle Zuhause sind, sind prädestiniert dafür, die Frauen wieder in die 50er zu katapultieren. Anstatt den Partner mit in die Verantwortung zu ziehen, wie es die moderne Gesellschaft eigentlich propagiert, opfern sie sich auf. Für die Kindern. Für den Partner. Für den Haushalt. Und selbstverständlich auch noch für den Job. Sie sind ja Zuhause. Dann können sie ja auch gleich alles machen. Das erleichtert zwar das Gewissen und zeigt – wie viele sicherlich meinen – dass sie eine gute Mutter sind, aber gleichzeitig bringt es sie an den Rand des Machbaren. 

„NEIN!“, möchte man da schreien. 

Warum fordern wir nicht wie selbstverständlich die Väter dazu auf, ihren Teil der Arbeit zu übernehmen? Warum zeigen wir nicht die Väter, die wie selbstverständlich ihren Teil bereits übernehmen? Zum Kinderkriegen bedarf es in aller Regel zweier Menschen. Eine Frau und einen Mann. Zum Kinder erziehen auch. Zahlreiche Studien haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, wie wichtig für die Kinder sowohl die Mutter als auch der Vater ist. Beiden, weder der Mutter noch dem Vater, ist die Kindererziehung in die Wiege gelegt. Beide müssen das lernen. Kindererziehung ist ein „Learning on the Job“. Da es noch in erster Linie die Mütter sind, die sich hauptsächlich um die Kinder kümmern, sind sie geübter im Umgang. Was aber nicht heißt, dass sie alles machen sollen. NEIN! Es heißt auch nicht, dass sie es besser können. Es heißt vielmehr, dass wir jetzt die Väter mal ranlassen sollten. Die machen es dann wahrscheinlich anders, aber anders heißt nicht automatisch schlechter.

Jetzt ist die richtige Zeit.

Ja, es kostet Zeit und es kostet noch mehr Kraft, als Frau immer wieder mit dem Mann darüber zu diskutieren, dass die althergebrachte Rollenverteilung in unserer Zeit nichts mehr zu suchen hat. Ja, es kostet insbesondere in dieser Zeit, in der die Nerven bei allen blank liegen noch mehr Kraft. Die „mental load“ ist schon ohne Corona-Krise groß genug. Aber jetzt in dieses Thema Zeit und Kraft zu investieren lohnt sich. Volker Baisch, Gründer der Väter gGmbH, hat mit seinem Unternehmen bereits zahlreiche Studien verfasst. Er wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Untersuchungen zeigen, dass Väter, die länger Zeit in Elternzeit mit den Kindern zuhause waren, sich auch nach der Elternzeit mehr in der Familie engagieren. Es ist also definitiv eine Investition in das zukünftige Familienleben, jetzt die Zeit des Vaters einzufordern. 

Wenn Vorsamer in ihrem Kommentar beschreibt, wie die Mutter alles erledigt, frage ich mich, wo ist der Vater? Warum bereitet er nicht das Bananenmüsli vor, während die Mutter mit dem Kindergartenkind die Salzteigplätzchen knetet? Oder umgekehrt. Warum rennt er nicht schnell mit Mundschutz bewaffnet in den Supermarkt, um die Tomatensauce zu kaufen, während sie das Salzteig-Chaos wieder aufräumt. Solange die Frau sich für all diese Aufgaben zuständig fühlt, warum sollte der Mann sich dann damit abmühen? Zumal er de facto in der Krise mehr Zeit hat: 

  • Die Fahrtzeit zur Arbeit fällt weg.
  •  Es finden zur Zeit keine Dienstreisen statt.
  • Auch Besprechungen finden online statt, sind oftmals effizienter und dadurch auch kürzer.
  • Es ist erwiesen, dass, wer im Homeoffice konzentriert arbeitet, effektiver und effizienter arbeitet.

Die Regierung darf nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, aber wer hat denn gesagt, dass man sich auf die Mütter verlässt. Selbst wenn das gesagt wurde, wer hat das Recht den Müttern vorzuschreiben, alle Familienaufgaben dann auch tatsächlich übernehmen. Um mehr Gleichstellung zu bekommen, müssen wir in diesem Fall noch nicht einmal auf die Straße, sondern wir können das vor Ort in den eigenen vier Wänden einen Wandel vorantreiben. 

Zumindest all diejenigen, die in einer Paarbeziehung leben. Für Alleinerziehende wird es schwieriger und je weiter weg der Vater wohnt, desto schwieriger wird es. 

Schluss mit dem pauschalen Väterbashing!

Selbstverständlich ist es aber nicht nur die Aufgabe der Mütter, für mehr Gleichstellung zu sorgen. Einzufordern. Ganz im Gegenteil. Es sollte auch im Interesse der Männer sein. Zahlreiche Männer zeigen auch durchaus schon, dass man sich als Vater einbringen kann und muss. Tatsächlich habe ich während der Corona Krise mehr Mails von Vätern erhalten, die sich für eine verspätete Antwort entschuldigten. Sie waren im Homeschooling-Stress. Die Männer waren weder von Kurzarbeit betroffen noch arbeiten sie normalerweise in Teilzeit oder im Homeoffice. Mehr noch, alle arbeiten sogar in verantwortungsvollen, leitenden Positionen. Und es gibt durchaus auch Männer, die sich schon an ihre Geschlechtsgenossen wenden und diese auffordern, umzudenken. Wie zum Beispiel Jochen Adler in einem Post auf LinkedIn, der für einiges Aufsehen gesorgt hat. Unter der Headline „Jungs, meine Herren, Familienväter: Wir sollten von der Politik Unterstützung fordern, aber auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen“ weist er seine Geschlechtsgenossen darauf hin, dass die momentane Situation unter Covid19 den Fortschritt in Sachen Gleichstellung droht zu stoppen und fordert sie dazu auf, diesem entgegenzusteuern. Er schreibt: „Zeigt Euch zuhause, tragt Euren Anteil. Lernt, übt, spielt mit Kindern. Versteckt Euch nicht hinter dem Druck von Quartalszahlen. Lasst Euch nicht beugen von der Last des Hauptverdieners, der Ihr vielleicht seid. Sagt auch mal eine Telko (Telefonkonferenz) ab. Verlegt Reporting und Forecast in die Abendstunden. Klar sollte die Politik jetzt auch Familien unterstützen! Aber zuerst sind mal WIR dran.“

In diesem Sinne: Meine Damen, lassen sie die Männer ran! Meine Herren, greifen Sie zu! Bei der Hausarbeit! Bei der Kinderbetreuung! Sie profitieren beide davon!